Benchmarking ist der Prozess des Vergleichens und Messens der eigenen Produkte, Dienstleistungen und Prozesse mit den besten Wettbewerbern oder mit den anerkannten Marktführern. Diese Unternehmen bzw. Organisationen, die einen zu untersuchenden Prozess, ein Produkt oder eine Dienstleistung hervorragend beherrschen, werden dabei als Klassenbeste (Best in Ciass) bezeichnet. Im Vergleich zu diesen sollen Unterschiede zum eigenen Unternehmen erkannt und Möglichkeiten zur Verbesserung aufgezeigt werden. Ziel des Benchmarkings ist es, aus dem Vergleich mit den Besten zu lernen, die wirkungsvollsten Methoden (Best Practice) herauszufinden, zu adaptieren und die Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu steigern, um selbst die Spitzenposition als Bester der Besten (Best of the Best) zu erreichen. Die Japaner bezeichnen dieses Streben mit dem Ausdruck Dantotsu.
Damit geht Benchmarking nicht nur über den klassischen und längst bekannten Unternehmens- bzw. Betriebsvergleichhinaus, sondern auch über Wettbewerbsbeobachtung in ihren verschiedenen Formen, wie z. B. Konkurrenzanalyse, Produktimitation oder sogar Reverse Engineering.
Insbesondere beim Reverse Engineering wird ein Wettbewerbsprodukt systematisch in seine Bestandteile zerlegt und mit dem eigenen Produkt verglichen, um so durch die Analyse der einzelnen Komponenten und technischen Funktionen Erkenntnisse über die verwendeten Konstruktions- und Fertigungsverfahren zu gewinnen. Die Unterschiede werden monetär bewertet. Anschließend wird die Herstellung des Wettbewerbsproduktes mit Kosten abgeschätzt, wie sie im eigenen Unternehmen entstehen würden. Auf diese Weise lassen sich sehr schnell Potenziale zur Verbesserung aufzeigen, die bei zügiger Umsetzung auch eine entsprechend motivierende Wirkung auf die Mitarbeiter ausüben können.
Da bei dieser Vorgehensweise die Produkte im Mittelpunkt stehen, wird das Verfahren auch als Reverse Product Engineering bezeichnet. Benchmarking hingegen beschränkt sich nicht auf den Vergleich von Produkten, sondern bezieht Dienstleistungen und vor allem Prozesse mit ein. Es ist damit auch keine Produktimitation, sondern der offene Wunsch, sich am Leistungsstandard der besten Mitbewerber zu messen und von ihnen zu lernen.
Dennoch lässt sich Reverse (Product) Engineering gewissermaßen als Benchmarking-Vorläufer bezeichnen, da dieses Verfahren den Ausgangspunkt bei der Entwicklung des Benchmarkings bildete. In den 1 980er-Jahren initiierte das amerikanische Unternehmen Xerox ein Unternehmensprogramm zur Steigerung von Qualität und Produktivität, das aufgrund von Ergebnissen umfangreicher Produktvergleiche aufgestellt wurde. Die drei Bestandteile dieses Programms waren die Einbindung der Mitarbeiter, der Qualitätsverbesserungsprozess und das Benchmarking. Unter anderem durch die gezielte Nutzung von Benchmarking gewann Xerox 1989 die US-amerikanische nationale Qualitätsauszeichnung, den Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA), in dessen Kriterienkatalog Benchmarking auch aufgenommen wurde.
Inzwischen wird Benchmarking von zahlreichen weltbekannten Unternehmen erfolgreich angewendet, teilweise als firmenspezifische Variante bzw. Vorgehensweise.
Grundsätzlich lassen sich drei Arten des Benchmarkings unterscheiden, wobei unterschiedliche Leistungs- bzw. Vergleichsmaßstäbe angelegt werden können. Diese eröffnen entsprechend steigende Verbesserungspotenziale hinsichtlich Kosten, Zeit, Qualität und Kundenzufriedenheit. Nachfolgend sind die drei Arten des Benchmarkings mit ihren Besonderheiten kurz dargestellt:
Benchmarking innerhalb eines Unternehmens bezüglich der geschäftlichen Vorgehensweise. Es können einzelne Unternehmen eines Konzerns, verschiedene Standorte, Cost- bzw. Profitcenter, Abteilungen, Gruppen und sogar Arbeitsplätze verglichen werden. Der Blickwinkel insgesamt ist jedoch begrenzt, da nur auf das eigene Unternehmen ausgerichtet. Hier spielen mögliche innere Barrieren und Abteilungsdenken eine wichtige Rolle, die einkalkuliert oder, besser, überwunden werden müssen.
Benchmarking mit unternehmensexternen, direkten Wettbewerbern bezüglich des gleichen oder eines sehr ähnlichen Produkts ist eine besonders überzeugende Art des Vergleichs. Eine Ausweitung auf die Betrachtung von Abläufen und Prozessen sowie deren Wirkung auf Kunden ist hierbei sinnvoll. Unter direkten
Wettbewerbern ist es in der Regel einfacher, vergleichbare Produkte oder Prozesse zu identifizieren. Auch die eindeutige Positionierung beider Unternehmen im Wettbewerb ist meist möglich. Hinzu kommen eine relativ hohe Akzeptanz des Verfahrens im Unternehmen sowie die Beschäftigung mit direkt verwertbaren, geschäftsrelevanten Informationen. Problematisch könnte sich die Datenerfassung gestalten, da es sich hier wahrscheinlich um vertrauliche, wettbewerbsrelevante Informationen handelt. Sollen Prozesse verglichen werden, ist darauf zu achten, dass eine Vergleichbarkeit auch tatsächlich gegeben ist, um nicht zu Fehleinschätzungen zu gelangen. Schon eine ungleiche Unternehmensgröße kann Unterschiede implizieren, z. B. im Hinblick auf den Automatisierungsgrad, die sich direkt auf die Ergebnisse des Vergleichs auswirken und entsprechend berücksichtigt werden müssen.
Benchmarking mit den Klassenbesten (Best in Ciass), die einen Prozess, ein Produkt oder eine Dienstleistung unabhängig von der Branche hervorragend beherrschen, oder mit den anerkannten Marktführern. In dieser anspruchsvollsten und umfassendsten Art des Benchmarkings liegt auch das größte Potenzial zum Finden innovativer Lösungen. Neben der Identifikation des Klassenbesten und
der zeitaufwendigen Analyse erhält hier die Fähigkeit des Beobachters besonderes Gewicht, die wirkungsvollsten Methoden (Best Practice) und ihre möglichen Anwendungen für das eigene Unternehmen zu erkennen. Vertraulichkeit von Informationen stellt branchenübergreifend meist kein Problem dar, weil keine direkte Konkurrenzsituation vorliegt. Schwieriger kann sich allerdings die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse im eigenen betrieblichen Umfeld gestalten. Hier ist es förderlich, wenn die zugrunde liegenden Kundenanforderungen möglichst gleichartig sind.
Als vierte Art des Benchmarkings lässt sich der allgemeine (generische) Benchmarking-Prozess selbst ansehen, bei dem es ausschließlich um den Vergleich von (Geschäfts-)Prozessen (Business Processes) geht, unabhängig von Unternehmen, Branche oder Industriezweig.
Unabhängig von der Art des Benchmarkings lässt sich der grundsätzliche Ablauf des Benchmarking-Prozesses (vgl. Bild 2.2) in vier Phasen einteilen, die sich in zehn Einzelschritte untergliedern lassen, sowie eine abschließende Reifephase (Maturity). Die einzelnen Phasen werden im Folgenden kurz erläutert:
In den ersten drei Schritten werden das Benchmarking-Objekt, der Vergleichspartner und die Art der Datenerhebung festgelegt. Zunächst wird ein BenchmarkingTeam aus üblicherweise sechs bis acht Personen gebildet, um die entsprechenden Aufgaben wahrzunehmen. Dieses ist interdisziplinär zu besetzen und mit den nötigen Entscheidungsbefugnissen sowie Zugriffsberechtigungen auf Daten und Informationen auszustatten. Als Benchmarking-Objekt kommt grundsätzlich jedes Produkt und jede Leistung infrage, sofern sich eine Bestmarke (Benchmark) im Sinne eines messbaren Leistungsstandards bestimmen lässt. Besonders sinnvoll sind hier Hauptprozesse bzw. -produkte, die Einfluss auf den Markterfolg des Unternehmens und damit auf die Kundenzufriedenheit haben. Bei der Auswahl des Vergleichspartners reicht es nicht unbedingt aus, sich mit den nächsten Wettbewerbern zu messen. In Abhängigkeit vom Benchmarking-Objekt ist anzustreben, sich mit den bestmöglichen Leistungen auf einem Gebiet zu vergleichen, also von einem exzellenten Vorbild, dem Klassenbesten, zu lernen.
Die Analyse dient dem sorgfältigen Verständnis des Benchmarking-Objektes und bezieht sich sowohl auf das eigene Unternehmen als auch auf die BenchmarkingPartner. Auf diese Weise werden Leistungslücken identifiziert und nach Möglichkeit durch Kennzahlen über Kosten-, Quahtats- und Zeitaspekte dargestellt. Angestrebt wird aber nicht nur ein klares Bild der eigenen Leistung mit einer Einschatzung von Starken und Schwachen Zunächst müssen die Ursachen der Leistungslücken ermittelt und diese dann geschlossen werden Weiterhin ist abzuschätzen, auf welchem Niveau sich die Leistungsstandards in Zukunft bewegen werden, um den Prozess der Ständigen Verbesserung gezielt ansetzen zu können (vgl Ständige Verbesserung) Dabei ist zu berücksichtigen, dass Benchmarking nicht nur einfach einen Leistungsrückstand ermittelt, sondern vor allem aufzeigen will, wie Prozesse effektiver und effizienter gestaltet werden können.
In dieser Phase werden die Ergebnisse des Benchmarkings benutzt, um entsprechende Ziele zu setzen und zu operationalisieren. Der wichtigste Schritt ist dabei die klare und überzeugende Verdeutlichung der Analyseergebnisse gegenüber den anderen Mitarbeitern und der Unternehmensleitung. Wegen der oftmals notwendigen, weitreichenden Veränderungen ist es besonders bedeutsam, dass die Ergebnisse von allen Hierarchieebenen nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern voll akzeptiert werden.
Vor dem Hintergrund der gesetzten Ziele werden in der Umsetzungsphase konkrete Maßnahmen festgelegt und Planungen zu ihrer Einführung entwickelt. Demgemäß erfolgt dann auch die Implementierung der neuen, aus den Benchmarking-Ergebnissen gewonnenen Verfahrensweisen im Unternehmen. In diesem Zusammenhang ist eine offene Kommunikation und Information über Fortschritte im Hinblick auf die Zielerreichung im Unternehmen besonders wichtig. Zur Umsetzung gehört ebenfalls eine periodische Messung und Überwachung des Erreichten mithilfe der identifizierten Kennzahlen sowie geeigneter Meilensteine. Ergänzend sollten die Benchmarking-Ergebnisse regelmäßig überprüft und ggf. aktualisiert werden (Rekalibrierung), da die Verfahrensweisen einer ständigen Veränderung und Verbesserung unterliegen.
Die Rekalibrierung und schließlich permanente Durchführung des Benchmarkings ermöglicht es, die in dynamischen Märkten ständig entstehenden, neuen und weiter verbesserten Verfahren zu identifizieren und sich mit den neuen Klassenbesten zu vergleichen. Auf diese Weise wird es nicht nur möglich, selbst Klassenbester zu sein, sondern der Benchmarking-Prozess wird bis zu seiner Perfektionierung beherrscht. Durch diese vollständige Integration in die (Geschäfts-)Prozesse wird Benchmarking zu einem fortwährenden, sich selbst initiierenden Bestandteil des Unternehmensführungsprozesses.
Einschränkend ist jedoch festzuhalten, dass die lernende Umsetzung der Benchmarking-Ergebnisse zunächst eher vergangenheitsorientiert ist. Hier kommt der Abschätzung von zukünftigen Entwicklungen, wie sie in der Analysephase vorgenommen werden kann, eine besondere, eventuell sogar kompensierende Bedeutung zu. Grundsätzlich fraglich ist die sichere Identifikation eines Klassenbesten. Dies kann immer nur ein Herantasten an relativ gute Unternehmen sein. Die Unsicherheit über die absolute Güte bzw. das tatsächliche Leistungsniveau bleibt bestehen. Um diesen Umstand nach Möglichkeit auszugleichen, ist es sinnvoll, sich mit mehreren Benchmarking-Partnern zu vergleichen.
Unter der Voraussetzung einer selbstkritischen Betrachtung der Produkte, Prozesse und Leistungen ermöglicht Benchmarking jedoch insgesamt erfolg- versprechende Veränderungen innerhalb eines Unternehmens. Durch permanentes Lernen von anderen wird die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert und die Ständige Verbesserung gefördert.